Nachruf auf Prof. Dr. Karl Schindler
verfasst von Reinhard Schlickeiser, Ralf-Jürgen Dettmar, Andreas Kopp und Harald Ziegler
Karl Schindler wurde am 26. Oktober 1931 in Aachen als zweiter von vier Söhnen geboren. Er blieb vom Wehrdienst verschont, musste aber die Zerstörung der väterlichen Zigarrenfabrik gegen Kriegsende miterleben. Um diese wieder aufzubauen, hatte sein Vater gehofft, dass Karl Schindler nach dem Abitur 1952 möglichst schnell bei der Bundespost Geld verdienen und nach Hause bringen würde. Nach erfolgreicher Intervention seiner Lehrer am Gymnasium in Alsdorf bei Aachen durfte er dann aber doch Physik an der RWTH Aachen studieren. Dieses schloss er 1957 erfolgreich als Diplom-Physiker ab. 1961 promovierte Karl Schindler in Aachen mit durchgeführten Forschungsarbeiten ”Zur Stabilität des Plasmas im statischen Gleichgewicht” am Institut für Plasmaphysik der Kernforschungsanlage Jülich des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. (KFA).
Der theoretischen Plasmaphysik blieb Karl Schindler sein ganzes Wissenschaftlerleben treu: zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Jülich von 1961 bis 1968, dann als Visiting Scientist (1962-1964) am Courant Institute for Mathematical Sciences, New York University, New York, USA und als Senior Scientist (1966-1972) am European Space Research Institute der ESRO, Frascati, Italien, ab 1969 als dessen stellvertretender Direktor. Gleichzeitig lehrte er an der Scuola di Perfezionamente di Fisica, Universität Rom. Von 1972-1973 war er Senior Scientist am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik, Institut für extraterrestrische Physik, Garching. 1973 folgte er schließlich dem Ruf der Ruhr-Universität Bochum auf den neugeschaffenen Lehrstuhl Theoretische Physik IV: Weltraum und Astrophysik.
Karl Schindler war einer der führenden Antragsteller des Bochumer Sonderforschungsbereichs 162 ”Plasmaphysik”, der 17 Jahre, von 1973 bis 1989, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde. Dieser SFB führte zur noch heutigen eng verzahnten Kooperation von Plasmaphysik und Astrophysik an der Bochumer Physikfakultät. Auch den folgenden Sonderforschungsbereich 191 ”Physikalische Grundlagen der Niedertemperaturplasmen” (1990 – 2001) hat er wesentlich gestaltet. Ebenfalls erfolgreich war er mit der Etablierung der durch die Volkswagen-Stiftung finanzierten Nachwuchsgruppe ”Topologische Fluiddynamik” (1999 – 2005) unter Leitung seines Schülers Prof. Gunnar Hornig. Karl Schindler diente der Physikfakultät als Dekan, hielt regelmäßig die Kursvorlesungen der Theoretischen Physik und war bei den Studierenden ein stark nachgefragter Prüfer und Betreuer von Examensarbeiten. Sehr erfolgreich war Karl Schindler in der Betreuung von Abschlussarbeiten. Hierbei verband er einerseits Methodenstärke und ein Gespür für interessante Fragestellungen mit einer offenen, respektvollen, diskursfreudigen und deshalb inspirierenden Arbeitsumgebung.
Besonders viele seiner Doktoranden arbeiten seitdem als führende Wissenschaftler und Professoren an amerikanischen und europäischen Instituten und Universitäten. Ein zentrales Arbeitsgebiet von Karl Schindler und seinen Schülern war der Prozess der magnetischen Verschmelzung, die sogenannte ”Rekonnexion”, in Weltraumplasmen. Hierzu hat er viele bahnbrechende Beiträge erzielt, die er in seiner 2007 bei Cambridge University Press erschienenen Monographie ”Physics of Space Plasma Activities” beschrieben hat. Methodisch aus der Plasmaphysik kommend hat er auch andere Gebiete (statistische Mechanik, Topologie, Stellardynamik) inspirierend bereichert. Aufgrund seiner mehr als 150 Publikationen in erstklassigen Fachjournalen wurde Karl Schindler weltweit geehrt: er war 2001 Visiting Professor am Los Alamos National Laboratory, 1993 Fellow of the American Geophysical Union und Orson Anderson Scholar of 2001 am IGGP, Los Alamos, New Mexico, USA. 2014 erhielt er für sein Wirken die sehr angesehene Hannes Alfvén Medal of the European Geosciences Union (EGU).
Seine fachliche Kompetenz und seine zurückhaltende, ausgleichende, empathische und liebenswürdige Persönlichkeit haben einen großen und bleibenden Eindruck hinterlassen. Er wird uns sehr fehlen. Unsere Teilnahme gilt seiner Familie.
Foto: Ruhr Universität Bochum - Physik und Astronomie