Prof. Dr. Wilhelm Kley (1958 - 2021)
Am 21. Dezember 2021 verstarb Prof. Dr. Wilhelm Kley völlig unerwartet und viel zu früh.
Willy Kley wurde am 19. Februar 1958 in Soest (Westfalen, Deutschland) geboren und war schon während seiner Schulzeit von der Astronomie fasziniert. In jungen Jahren verbrachte er viele kalte Nächte im Freien und beobachtete den Nachthimmel durch ein kleines Teleskop, das ihn sein ganzes Leben lang um die Welt begleitete. Im Jahr 1978 begann Willy sein Physikstudium an der Ruhr-Universität Bochum. Nach einem Jahr als Austauschstudent an der University of Sussex, setzte er 1980 sein Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München fort. Prof. Rolf Kudritzki, ein junger, tatkräftiger und inspirierender Professor, war gerade zum neuen Direktor der Universitätssternwarte München (USM) ernannt worden. So entschied sich Willy für die USM und reichte 1985 unter der Betreuung von Gerhard Hensler seine Diplomarbeit an der USM zum Thema "Hydrodynamical Simulations of Boundary Layers of Accretion Disks in Close Binaries" ein.
Willys Interesse und seine herausragenden Leistungen im Bereich der rechnergestützten Astrophysik wurden bereits in dieser frühen Phase seiner Karriere sichtbar. Anstatt einen von Gerhard Hensler zur Verfügung gestellten Partikel-in-Zellen-Code zu verwenden, entwickelte er seinen eigenen, neuen Gittercode mit verfeinerter Netzauflösung an der Grenzschicht zwischen der Akkretionsscheibe und dem Zentralstern. Dies ermöglichte eine wesentlich bessere räumliche Auflösung und eine genauere Behandlung der komplexen Akkretionsströmung. Die Ergebnisse seiner Diplomarbeit, seine ersten Veröffentlichungen, erschienen 1987 in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics. Diese Arbeit führte auch zu einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsprojekt, in dem Willy seinen Code zur Strahlungs-Hydrodynamik weiterentwickelte. Im Jahr 1988 schloss Willy seine Promotion mit einer Arbeit über "Radiation Hydrodynamical Models of the Boundary Layer of Accretion Disks" ab. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein führender internationaler Experte für die Modellierung von Akkretionsscheiben.
Willy Kley blieb noch zwei Jahre an der USM. Dann, Ende 1990, nahm er eine Einladung von Prof. Douglas Lin für eine Postdoc-Stelle an der University of California in Santa Cruz (UCSC) an. Es folgte eine sehr produktive und kreative Zeit. Santa Cruz beherbergte eine lebhafte Gruppe junger internationaler Postdocs, von denen viele inzwischen Professoren der Astrophysik sind, die sich mit numerischen Simulationen proto-planetarischer Scheiben sowie der Planeten- und Sternentstehung beschäftigten und viel Zeit miteinander verbrachten. Zu dieser Zeit betrieb Santa Cruz zusammen mit anderen Universitäten und Laboratorien ein sehr aktives Zentrum für Stern- und Planetenbildung. In diesem inspirierenden Umfeld entwickelte Willy seine numerischen Simulationen sowohl für relativistische als auch für proto-stellare Akkretionsscheiben und schließlich für proto-planetare Scheiben weiter, ein damals aufstrebendes neues Forschungsgebiet, das ihn für den Rest seiner Karriere faszinierte.
Nach einer einjährigen Tätigkeit am Queen Mary and Westfield College in London, in der Willy mit John Papaloizou zusammenarbeitete, und nach einem weiteren Postdoc-Jahr an der UCSC war Willy in die neu gegründete Max-Planck-Forschungsstelle "Theorie der Gravitation" in Jena tätig, wo er 1997 seine Habilitation abschloss. Im Jahr 2000 nahm er einen Ruf auf eine Professur für Computational Astrophysics an der Universität Tübingen an.
Während der zwei Jahrzehnte in Tübingen führte Willy seine wissenschaftliche Arbeit in nationalen und internationalen Forschungskooperationen weiter. Er etablierte eine große Arbeitsgruppe, deren Forschungsergebnisse weltweit Anerkennung fanden. Die Mitglieder seiner Arbeitsgruppe werden sich an seine freundliche, offene und stets inspirierende Art erinnern, mit der er eine produktive und vertrauensvolle Atmosphäre schuf. Willy war federführend beim Aufbau des internationalen Masterstudiengangs Astro- und Teilchenphysik an der Universität Tübingen, der seit 2017 zahlreiche internationale Studierende anlockt. Mit seinem außerordentlich anregenden Lehrstil hat er bei vielen Studierenden das Interesse an der Astrophysik geweckt.
Willy war ein erfolgreicher, international führender Wissenschaftler, ein liebe- und hingebungsvoller Vater und Ehemann und ein freundlicher, fürsorglicher Freund. Er schien immer glücklich und optimistisch. Man kann sich nicht vorstellen, dass er jemals schlecht gelaunt war. Mit seiner natürlichen Begabung für den Entwurf und die Konstruktion von erstklassigen Rechenwerkzeugen und deren innovativer Anwendung zur Lösung technisch anspruchsvoller grundlegender Probleme hatte er einen enormen Einfluss auf verschiedene Forschungsbereiche. Dazu gehört der Nachweis, dass wandernde Planeten sich gegenseitig in Resonanzen der mittleren Bewegung einfangen können und dass sogar Planeten mit Erdmasse sowohl in Richtung ihres Wirtssterns als auch von ihm weg wandern können. Alle, die sich mit Planeten-Scheiben-Wechselwirkungen oder der Strahlungshydrodynamik von Scheiben befassen, werden wahrscheinlich seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Arbeiten und Reviews studieren. Seine Vorträge waren präzise und klar und vermittelten ein tiefes Verständnis und Begeisterung für sein Forschungsgebiet. Er war immer eine Quelle der Inspiration. Seine unstillbare Neugier, seine engagierte Professionalität und sein wunderbarer Sinn für Humor machten ihn zu einem Vorbild, nicht nur für seine Studenten und Postdocs, sondern auch für seine Kollegen. Er war ein Mann mit großem Talent, großer Weisheit und ein Gentleman. Gleichzeitig war er ein sehr bescheidener Mensch, unkompliziert und immer hilfsbereit!
Mit Willy Kley haben wir einen herausragenden Wissenschaftler, einen engagierten und fürsorglichen Lehrer und Mentor sowie einen wunderbaren Kollegen und Freund verloren.