Nachruf auf Prof. Dr. Edward H. Geyer (1930 – 2025)
Nachruf von Martin Hoffmann
Wir trauern um Edward H. Geyer, einen Astronomen. Mit seinem Namen ist dieser Begriff weit mehr als eine Berufsbezeichnung. Und es würde noch mehr eine Einengung seiner Person bedeuten, wenn man ihn nur mit seiner Jahrzehnte-langen Tätigkeit als Leiter des Observatoriums Hoher List der Unversitäts-Sternwarte Bonn verbindet.
Geboren in Passau, führte ihn sein Studium der Mathematik, Physik und Astronomie in München an die Dr. Karl Remeis-Sternwarte der Universität Erlangen, und nach seiner Promotion 1961 an die Landes-Sternwarte Heidelberg auf dem Königstuhl. Infolge seiner Erfahrung als beobachtender Praktiker konnte er 1962-1963 das Boyden-Observatory in Bloemfontain/Südafrika leiten. Von 1966 bis zu seiner Pensionierung 1995 war er dann Leiter des Observatoriums Hoher List der Universitäts-Sternwarte Bonn. Die Habilitation 1968 und Ernennung zum apl. Professor 1970 (seit 1982 C2-Professor) ermöglichten ihm dann, sein reiches Wissen auch zahlreichen Studenten weiterzugeben, die er insbesondere auf dem Weg zu Diplom und Promotion betreute. Auch nach dem Eintritt in den beruflichen Ruhestand beschäftigte er sich unermüdlich mit den Themen seines Fachs.
Der Wissenschaftler Edward Geyer war schon nicht mehr typisch für die Zeit sener Aktivität und umso weniger mit heutiger akademischer Praxis, in der sich eine häufig sehr enge Spezialisierung auf ein Thema nicht vermeiden lässt. Die Vielfalt nicht nur seiner Interessen, sondern auch seiner maßgebenden Beiträge darin, erstrecken sich über die Breite aller Teilgebiete heutiger Forschung, die sich unter dem Oberbegriff Astronomie verbinden lassen. Um dieses Spektrum auch nur annähernd zu umreißen, seien genannt: Irdische Atmosphäre, Sonne und Planetensystem, Stellare Astrophysik und Extragalaktik, die nicht nur mit den Mitteln optischer Beobachtungen, sondern auch mit Weltraum-gestützter Technologie, wie Messungen mit dem IUE Satelliten und Röntgen-Beobachtungen mit der HEAO-B Sonde, von ihm gewonnen und bearbeitet wurden. Beinahe noch mehr ist seinen Schülern sein Engagement für technische Neuerungen in Erinnerung, mit denen es ihm gelang, die schwierigen klimatischen Randbedingungen und die Einschränkung durch im Vergleich zu großen internationalen Einrichtungen klein dimensionierte teleskopische Hilfsmittel am Hohen List zu kompensieren. Eines dieser Instrumente, ein Photometer für die synchrone Messung zweier Objekte im selben Teleskop-Gesichtsfeld, wurde an ESO La Silla geliefert und dort zu einem Instrument der Geräte-Palette des 1m Teleskops.
Diese Erfolge trugen ihm dann auch zahlreiche Kontakte und Aufgaben auf nationaler und internationaler Ebene ein. Hierzu zählten seine Projekte als Teil des Schwerpunktprogramms "Kleine Körper im Sonnensystem" der Deutschen Forschungsgemeinschaft, oder als Mitglied der Projektgruppe für ein Weltraum-gestütztes Planeten-Teleskop, die unter der Federführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt fungierte. Auch eigene Beobachtungs-Aktivitäten in internationalem Rahmen, nicht nur bei der Europäischen Südsternwatrte La Silla in Chile, sondern auch in Bulgarien, Spanien, USA und Venezuela zählen hierzu. Genannt werden sollte auch die Teilnahme am "Ground Based Support of the NASA Galileo Mission" beim Fly-By am Asteroiden Ida, zu dem er durch Messungen am Hohen List beitrug.
Eine Leitlinie seines Schaffens war die Überzeugung, dass Wissenschaft nur auf Basis von Fakten sinnvoll sein kann. Deshalb unterschied er sich von vielen Astrophysikern seiner Zeit, die in der induktiven Methode den wahren Fortschritt sahen, gestützt durch hochentwickelte theoretische Modelle oder deren durch die moderne Computer-Technologie ermöglichten numerischen Simulationen. Sinngemäß zog er die Konsequenz aus dem Bonmot: "Das ist brillant durchdacht, eindeutig dargelegt, und falsch", indem er seine Vermutungen deduktiv anhand von direkten, möglichst selbst beobachteten Daten zu belegen suchte. Wenn sich dann Widersprüche zu gerade gängigen Trends ergaben, scheute er sich nicht, diese aufzuzeigen. Während zum Beispiel in den 70er Jahren viel über Massennaustausch bei engen Doppelsternen publiziert wurde, wies er auf die Effekte durch sonnenähnliche Aktivität hin und war damit seiner Zeit weit voraus.
Obgleich ihm die Beschäftigung mit der Entwicklung neuer Geräte für die Telekope des Hohen Lists besonders ans Herz gewachsen war, geschah das doch vor allem aus dem Bestreben, mittels dieser Instrumente die Palette der Möglichkeiten zur Gewinnung von Erkenntnissen so zu erweitern, dass Neues, Unerwartetes entdeckt werden konnte. Im Mittelpunkt stand dann das Kriterium, dass die neue Technik auch wirksam war und Fehlereinflüsse methodisch eliminiert werden konnten.
Die Astronomische Gesellschaft hat Edward Geyer für seine Leistungen bei der Instrumentenentwicklung, insbesondere von Geräten für den Hohen List, und für die jahrelange aktive Mitgliedschaft in der AG im Jahr 2021 die Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Edward Geyer ist im Februar 2025 im hohen Alter von fast 95 Jahren von uns gegangen, Er hinterlässt nicht nur eine Vielzahl von Publikationen, sondern auch über seine zahlreichen Schüler ein unschätzbares immaterielles Erbe.