Kolloqium des AK, 20. September 1999, Göttingen, Deutschland; Details
Kolloquium des Arbeitskreises Astronomiegeschichte im Rahmen der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft
Zu Beginn der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Göttingen, die in diesem Jahr unter dem Motto New Astrophysical Horizons steht, wird am
Montag, 20. September 1999, beginnend voraussichtlich gegen 10 Uhr,
ein Kolloquium des AK Astronomiegeschichte stattfinden. Das Organisationskommittee hat - mit Zustimmung des LOC - dafür das folgende Rahmenthema ausgewählt:
Geschichte und Funktion nicht-verbaler Repräsentationen in der astronomischen und astrophysikalischen Forschungspraxis
Es geht also vor allem um Bilder (wie z.B. Photos) oder andere bildliche Fixierungen (wie z.B. Videobänder) von Beobachtungen (Einzelheiten siehe unten).
Die bevorzugte Konferenzsprache ist Englisch. Von all denjenigen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, die nicht an der gesamten AG-Tagung teilnehmen, muß gemäß AG-Vorstandsbeschluß ein Tagungsbeitrag in Höhe von voraussichtlich etwa 30 DM erhoben werden.
Inhaltlich-thematische Rückfragen, sowie Anmeldungen von Kurzvorträgen (bitte mit englischsprachigem, nicht mehr als eine Seite umfassendem Abstract in Maschinenschrift, ASCII, Word95/97 [gespeichert als rtf-file] oder TeX) wenn irgend möglich bitte bis spätestens zum
31.05.1999
an:
Dr. habil. Klaus Hentschel
Institut für Wissenschaftsgeschichte
Humboldtallee 11
D-37073 Göttingen
Tel. +(49)-551-398412
e-mail: khentsc@gwdg.de
Organisatorische Rückfragen, technische Wünsche und ähnliches an:
Dr. Axel D. Wittmann
Universitäts-Sternwarte
Geismarlandstr. 11
D-37083 Göttingen
Tel. +(49)-551-395045
Fax. +(49)-551-395043
e-mail: wittmann@uni-sw.gwdg.de
Geschichte und Funktion nicht-verbaler Repräsentationen in der astronomischen und astrophysikalischen Forschungspraxis
Kolloquium des Arbeitskreises Astronomiegeschichte in Göttingen, Montag, 20. September 1999
Bilder oder andere bildliche Fixierungen begleiten die Geschichte der Astronomie von ihren frühesten Anfängen bis in die heutige Zeit der elektronisch manipulierbaren CCD-Aufnahmen.
Beispiele dafür sind: Stern- und Mondkarten, Sonnenfleckenzeichnungen und -photographien, Spektralatlanten, Meßdatendarstellungen (wie etwa das Hertzsprung-Russell-Diagramm oder das Maunder-Diagramm), Spektroheliogramme, Planetenzeichungen, Satelliten- und Raumfahrtbilder, Photometerkurven, und vieles andere mehr.
Zu fragen ist unter anderem, wie direkt die Umsetzung des jeweils `Gesehenen' oder durch ein Instrument `registrierten' Objekts in dessen bildliche Repräsentation ist, welche Übersetzungsprobleme bei diesem Abbildungsvorgang auftreten, und wie sich aus dieser Spannung eine ständige Suche nach noch `besseren' Repräsentationsformen ergibt.
Beispielsweise war das Auftreten der Photographie von der Wunschvorstellung begleitet, daß die Natur sich von nun an `selbst aufzeichnen' werde, ohne die unerwünschte Intervention menschlicher Voreingenommenheit und zeichnerischer Unvollkommenheit (Fox Talbots `The Pencil of Nature', 1844).
In der Praxis hingegen blieb die Retouche ebenso unvermeidlich wie die sehr starke (auch ästhetische) Selektion des Bildmaterials durch den Beobachter (Auswahl der `besten' Aufnahmen). In der Spektroskopie blieben bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein die mit hohem Aufwand hergestellten lithographischen Spektralkarten des sichtbaren Bereichs den erhältlichen Photographien überlegen.
Wann kommt es also zu Wechseln der präferentiellen Repräsentationsform, welchen Einfluß haben externe technische Entwicklungen, und welche Rückwirkung hat dieser Wechsel auf die Forschungspraxis? Wie interagier(t)en Astronomen und Astrophysiker mit Zeichnern, Kupferstechern, Lithographen, Photographen und anderen Spezialisten, die ihnen bei der Erstellung bzw. Aufarbeitung ihrer Bildmaterialien für Publikationen und Lehrmaterial helfen? Welche Kriterien gehen in diese Bearbeitung jeweils ein, und wie unstrittig sind sie? Welche Heuristiken werden angewandt, um Fakt von Artefakt zu unterscheiden? Wie verliefen Kontroversen um Abbildungen (etwa die der berüchtigten Mars-Kanäle), und welche technischen Alternativen bestanden zu verschiedenen Zeiten?
Neben der Dokumentation von Beobachtungsergebnissen haben Abbildungen aber auch noch andere Funktionen: sie sollen den Leser/Betrachter überzeugen, komplizierte Vorgänge veranschaulichen, oder als mnemonische Hilfsmittel dem Anfänger eine Gedächtnisstütze zur Einprägung bestimmter Muster sein: so etwa die seit 1860 allerorts auftauchenden Poster mit z.T. farbigen Darstellungen der von Kirchhoff und Bunsen beobachteten Spektren der Alkalimetalle.
Wie lernt(e) man z.B. das Klassifizieren von Sternspektren oder von Sonnenflecken? Welche Funktion haben Bildmaterialien im Unterricht?
Gedacht ist primär natürlich an historische Studien, aber auch gegenwärtig aktive Astronomen und Astrophysiker sind aufgerufen, einmal über die in ihrer Forschungspraxis anfallende Verwendung von Abbildungen und die rasche Veränderung der dabei verwendeten Techniken (wie z.B. unsharp masking, speckle deconvolution oder image compression) nachzudenken, von denen einige ihrerseits schon bald Geschichte sein werden.
Klaus Hentschel, Axel Wittmann